Training allein zu zweit, Teil 6.


»Was?« – kreischt der Zahnarzt und wird hektisch. »Im 9. Monat, sagen Sie?« – Er sollte eigentlich Bescheid wissen, hat's aber wohl wieder vergessen. Noch nie wurden meine Zähne so schnell professionell gereinigt. Und als ich gehe, atmet er erst mal ganz tief durch.

Tick. Tack. Ich bin eine Zeitbombe. So zumindest, scheint mich meine Umwelt zu sehen. Leute in der Öffentlichkeit fürchten mich, könnte es doch hier und jetzt passieren, das mit der Niederkunft.

Alle fünf Minuten fragt wer, ob noch alles in Ordnung ist. 
»Alles ist in Ordnung!«, sag ich, allerdings läuft alles in Zeitlupe. Mein Kopf und mein Körper. Außerdem bin ich wahnsinnig ungeschickt! Ständig fällt mir was aus der Hand. Ich fluche beim Bücken, das sich – wenn’s schlecht läuft – bis zu zwei Minuten hinziehen kann. Warum ich so schwer atme, fragt mein Vater. Ich gebe keine Antwort, bin aber kurz davor auf ihn loszugehen, als er erzählt, dass er gerade eine neue Laufstrecke getestet hat.

»Warst Du eigentlich laufen?« – frag ich den Vater des ungeborenen Kindes. Er sagt nix. Aus Sorge, um meinen Gemütszustand. Ich weiß Bescheid, finde es aber beruhigend, dass es nicht laut ausgesprochen wurde. Laufen ist vorbei. Lange gehen und stehen wird merklich mühsamer und so sage ich schweren Herzens auch die ehrenamtliche Beteiligung beim 29. Hamburger Haspa Marathon ab.

»Willst Du zu der Trainerin mit dem dicken Bauch?« – meine Kundin kriegt sich nicht mehr ein, als sie mir erzählt, dass sie vor unserem Training so im Fitnessstudio empfangen wurde.

Alles Gründe, weshalb ich längst keine Trainings mehr gebe und mein eigenes komplett nach Hause verlegt habe. Ja, ich trainiere noch immer, nach einer kleinen Pause, nach der ich das Laufen eingestellt habe. Zuerst besann ich mich nur noch auf Bodyweight- oder Theraband-Übungen. Inzwischen bin ich wieder mutiger und trainiere mit leichten Hanteln. Auch die Blackroll darf nicht fehlen. Und weil ich ohne Ausdauertraining sehr, sehr traurig wäre, mach ich noch etwas. Etwas, das mir eigentlich unglaublich peinlich ist, aber – hey, Euch sag ich's: ich steppe. Auf einem sehr, sehr alten Hometrainer, den ich eigentlich längst verschenkt haben wollte … Vor ein paar Wochen hätte ich mich selbst ausgelacht, jetzt beschert mir das betagte Gerät wahre Glücksmomente – und Schweißausbrüche. Es steht draußen, ich schaue auf den Garten. Bei sonnigen 24 Grad, 40 Minuten bei einem Puls von 135 – das ist FAST so gut wie Laufen und Schokoladeneis zusammen! So kann ich's aushalten.

»Ich bin vier Tage nach der Geburt wieder gelaufen. Ganz vorsichtig, 2 Kilometer. Mit Kinderwagen. Ich hab's einfach nicht mehr ausgehalten.« – das sagt die Oberärztin im Krankenhaus zu mir. Ich strahl sie an und weiß: Wir verstehen uns. Mehr als nur ein Zufall, dass ich ausgerechnet an sie gekommen bin. Sie ist nämlich Triathletin. Und auch sie betont wieder: »Machen Sie Ihren Sport, wenn das Kind kommt, dann kommt's. Jetzt darf's.«

Und so warte ich. Bin gespannt. Steppe. Warte. Bin gespannt. Und während ich warte, steppe und gespannt bin, überlege ich, wie ich mein Comeback als Läuferin zelebrieren könnte. Vielleicht kann mein Kind ein kleines Fähnchen für mich schwenken? Vielleicht schmeiß ich auch 'ne Party – und lad Euch alle ein ;) 



Das hier war der letzte Blogpost unter dem Titel »Training allein zu zweit«. Denn fest steht: Allzu lange brauch ich nicht mehr warten. Und dann irgendwann wird jeder für sich trainieren: Kind und Mutter. Wer aber vom Thema Sport & Schwangerschaft nicht genug bekommen kann, der darf sich auf die Juni-Ausgabe des SisterMAGs freuen.
Und ein Dankeschön an alle, die immer so freundlich nachgefragt, kommentiert und mitgelesen haben! Nach meiner anfänglichen Skepsis, über ein solch persönliches Thema zu schreiben, sag ich jetzt: Mir hat's sehr geholfen und es war mir ein Fest. 

Und hier alle Blogposts zu diesem Thema noch mal gesammelt:
Training allein zu zweit, Teil 1.
Training allein zu zweit, Teil 2.
Training allein zu zweit, Teil 3. 
Training allein zu zweit, Teil 4. (mit Trainingstipps für die Schwangerschaft)
… uuuund (den mochte ich am wenigsten):
Training allein zu zweit, Teil 5.

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