Der Zauber des Anfangs.


Wie ich das Jahr so fand, will wer von mir wissen. Als ich antworten möchte, gerate ich ins Stocken, denn mir wird klar, dass ich vermieden habe, darüber nachzudenken. Von dem Zeitpunkt an mach ich’s: Ich denke drüber nach, wie ich das Jahr so fand …

2019
2019, du hast mich glücklich gemacht und traurig. Wütend und versöhnlich. Du warst gut zu mir und ungerecht. Du hast weh getan und mich gleichzeitig mit Geschenken überhäuft. Im Verlauf deiner Monate wurden Herzensmenschen gesund und welche krank. Kurz: 2019, du hast dem Leben mit all seinen Facetten eine großzügige Bühne gegeben. Und mir die Erkenntnis, dass Lernen das Beste ist, was man den Irrungen und Wirrungen entgegensetzen kann.

Die Entdeckung einer neuen Welt 🗺 
Erinnert Ihr Euch an die Zeit, als Ihr lesen gelernt habt? Das war doch DIE Entdeckung überhaupt! Das war, als hätten wir eine ganz neue Welt gefunden, denn plötzlich war alles anders, aufregender und interessanter. Die ganzen Nachrichten überall, die wir ab sofort alleine entschlüsseln konnten. Kaum vorstellbar, dass uns all das zuvor verwehrt geblieben war.
Es war auch ein harter Weg: Manchmal mussten wir uns quälen, die Buchstaben flüssig zu einem Wort zusammenzubringen. Und wie lange das dauerte! Trotzdem: Wir blieben dran, weil es unsere Welt so viel reicher machte und wir mit so wunderbaren, kleinen Erfolgsmomenten belohnt wurden. Und dann irgendwann: zack, da lief’s. Schneller und schneller und heute sind wir Profi darin: lesen? Geht von selbst (zumindest bei den meisten, die ich kenne …), wir denken nicht einmal mehr darüber nach.


Der Komfortzone in den Hintern treten 👊🏼
An dieses »Geht von selbst« gewöhnen wir uns nur allzu schnell. Vielleicht macht es uns auch bequem und ganz sicher lässt es uns vergessen, wie viel Magie in dem steckt, was wir noch nicht kennen und noch nicht gelernt haben. »Geht von selbst« ist unsere zur Routine gewordene Komfortzone, das gemütliche Sofa, auf dem wir Zuflucht gefunden haben. Hier kann uns nichts passieren. Schön eigentlich. Aber ach, auch öde irgendwann. Diese Komfortzone sorgt dafür, dass wir unzufrieden werden, das Gefühl haben, festzustecken. 
Manche von uns sind dann mutig, manche nicht. Letztere brauchen vielleicht auch noch Zeit. Aber für gewöhnlich, hadern wir wohl alle damit, etwas Neues zu starten, etwas anders zu machen. Zu eingefahren sind wir in unseren einstudierten Mechanismen. Fakt ist: Egal, womit wir neu beginnen (Arbeitsstelle, Beziehung, Kind, Hobby …), so ein Anfang ist auch immer derbe anstrengend. Immerhin sind wir dabei, völlig unbekannte Muster einzustudieren. Wir haben uns freiwillig wieder in die Position eines absoluten Beginners begeben. Es gibt schönere. Aber hey, auch kaum aufregendere.
Ein Anfänger zu sein, ist irgendwie peinlich und cool zugleich. Das wurde mir sofort klar, als ich mich vor einem Monat endlich professionell im Olympischen Gewichtheben coachen ließ: Nach einem Workshop habe ich Wunden an den Händen, bin völlig fertig und komme mir unglaublich bescheuert vor, es überhaupt versuchen zu wollen. Ich gehe nach Hause mit einem Trainingsplan in der Tasche, großen Zweifeln und trotzdem jeder Menge Motivation. Nach meinem ersten Training alleine habe ich eine Woche lang Muskelkater. Nichts von dem, was ich mache, sieht wie Olympisches Gewichtheben aus, aber langsam beginne ich zu verstehen, wie ich unter die Langhantel tauchen und sie in manchen Momenten wie fast von selbst über meinen Kopf fliegen lassen kann. Diese winzigen Fortschritte lösen kleine Feuerwerke der Freude in mir aus und treiben mich fortwährend dazu an, weiterzumachen. Dieses Gefühl ist magisch. Magie, die mich dazu gebracht hat, mit dem Zug eine Langhantelstange und 10 Kilo Zusatzgepäck vom Norden Deutschlands in den Süden zu transportieren.
»Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!« – entfährt es meiner Mutter, als ich mit dem sperrigen Gepäck zu Weihnachten ankomme. Ja, mag sein. Aber es macht mich sehr, sehr glücklich.


Lass den Zauber rein! 🙌🏼
Jede Trainingseinheit, in der ich meinen neuen Oly-Trainingsplan abarbeite kostet mich ungeheuerlich viel Konzentration und Energie. Jedes Mal denke ich: Gleich kann ich aber nicht mehr! Und dann mach ich doch weiter, weil ich mich gleichzeitig so dabei freue. Es ist wie damals beim Lesenlernen. Es gibt mir derbe viel, auch wenn es mir was nimmt. Nach jedem Training stelle ich fest, dass ich alles um mich herum vergessen habe und anderthalb Stunden in meiner eigenen kleinen Welt war.
Am Ende dieses Jahres 2019 hab ich verstanden: Finde immer was, das du neu lernen kannst, dich fasziniert, es wird dich erfüllen und setzt allem, was nicht so schön ist, eine große Kraft entgegen.

Wie fängt man an?
Die goldene Regel: Mach einfach. Egal, wie. Mach. Der Rest kommt. Das ist Gesetz.

Schritt 1️⃣: Unverbindlich mit dem Thema beschäftigen
Geige spielen, Nähen lernen, Gesangsunterricht nehmen, Weltreise planen? Egal, was Dich interessiert, google danach, lies, lass Dich inspirieren, das Thema in Deinen Kopf einziehen und dort Platz finden. Viel Platz. Lass Dir Zeit dafür. (Ich nahm mir drei Jahre …)

Schritt 2️⃣: Eine verbindliche Zusage
Du hast einen Nähworkshop gefunden, der Dich interessiert? Sag zu! Wenn Du einen festen Termin mit jemandem ausmachst, übernehmen Dein Pflichtgefühl und Deine Verbindlichkeit den Rest. Du brauchst nur noch hingehen und gucken, was passiert. 

Schritt 3️⃣: Mach’s Dir leicht
Der erste Schritt meines Trainingsplans: Hantel vom Boden bis zum Knie anheben. Das kann echt jeder und trotzdem gibt es mir das Gefühl, es ist ein kleiner, wichtiger Teil des großen Ganzen. Es fühlt sich ziemlich cool an, selbst diesen kleinen Schritt geschafft zu haben. Niemand muss gleich alles können …

Schritt 4️⃣: Zelebrier die winzigsten Fortschritte
Und wenn es nur der Faden im Nadelöhr ist – Du hast was hinbekommen und das ist ein Grund zum Feiern. Das wird Dich motiviert zum nächsten Schritt tragen.


Schritt 5️⃣: Übung macht den Meister
Je mehr Zeit wir investieren, desto sicherer werden wir. Das ist ebenfalls Gesetz. Selbst wenn es nur ein paar Minuten am Tag sind. Das neue Thema sollte einfach im Kopf bleiben und das tut es am besten, wenn wir Gewohnheiten etablieren: Jeden Tag drei Liegestütze, jeden Sonntag 15 Minuten im Do-it-yourself-Ratgeber lesen … Vielleicht gelingt es uns ja noch, die Dauer auszudehnen.

Schritt 6️⃣: Souverän Hürden nehmen
Manchmal streckt uns eine Erkältung nieder und wir können mit dem Training nicht weitermachen. Manchmal haben drei Freunde hintereinander Geburtstag und wir können uns nicht wie geplant, daran halten, zuckerfrei zu essen oder auf Alkohol zu verzichten. Manchmal grätscht das Leben von seiner bescheuertsten Seite dazwischen. Manchmal ist da aber auch jemand, der uns und unser Vorhaben bescheuert findet. Wir sollten uns von niemandem runterziehen lassen. Weder von uns selbst, noch von anderen. Wir lernen hier gerade etwas Neues – schon alleine damit beweisen wir Mut. Mut, den unsere Kritiker vermutlich niemals haben werden … Vielleicht scheitern wir auch kläglich, aber das Gute ist: Wir können wieder neu anfangen.

Und dann: Feel the magic! 💫


Oh, und noch drei wichtige Erkenntnisse zum Lernen und zu Neuanfängen:

➡️ Ohne Input von außen, ist es schwierig, was Neues zu lernen. Ich habe drei Jahre versucht, mir das Olympische Gewichtheben selbst beizubringen. Das war ‘ne echt bescheuerte Idee, die mir immerhin dabei geholfen hat, den Wunsch, die Bewegungsabläufe zu verstehen, zu festigen. Neue Menschen in unsere Welt zu lassen, sich auf sie einzulassen, neue Bücher zu lesen, neue Erfahrungen zu sammeln, ist der sicherste Weg, weiterzukommen, Tiefs oder Unzufriedenheit zu überwinden.

➡️ Schaut Euch diese Kinder an: Sie lernen die ganze Zeit in einer Geschwindigkeit, über die man nur staunen kann, sind offen für alles und jeden (na, gut also meistens … okay, oft). Sie sind einfach tolle Mentoren und ziemlich gut darin, Älteren Dinge beizubringen, die außerhalb ihrer Komfortzone liegen.

➡️ Wenn wir neu anfangen, haben wir keine Ahnung, wohin das führt. Und genau das macht es so spannend und wertvoll. In unserer Komfortzone wissen wir schließlich meist schon lange vorher, was passieren wird.

🎇 2020 🎇
Wie immer: Der erste Schritt ist der schwierigste. Aber hat man den getan, kommt eins zum anderen. Wir müssen uns nur drauf einlassen. Welcher Zeitpunkt würde wohl besser passen, einen Neuanfang zu wagen, als der Jahreswechsel? Ich wünsche Euch von Herzen einen guten Rutsch und ein tolles neues Jahr 2020! Vielleicht habt Ihr die Gelegenheit, den Zauber des Anfangs zu genießen – er ist der Knaller!


Kommentare

Jahn von Fitvolution hat gesagt…
Hallo Diana,
ich persönlich halte es auch für extrem wertvoll, das alte Jahr zu reflektieren und einen Blick voraus auf das neue zu richten.
Der Weg aus der Komfortzone ist immer kein leichter. Wenn es jedoch ein paar Mal geschafft ist, dann werden auch neue Dinge schnell ein Teil von ihr. Schöne Tipps, die Du jedem hier gibst, der etwas Neues anfangen möchte.
Ich wünsche Dir ganz viel Erfolg für Dein jahr 2020.
Liebe Grüße
Jahn

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