Training allein zu zweit, Teil 2.


Es ist noch gar nicht so lange her. Es war Ende September letzten Jahres als die Diskussion losbrach. Damals hatte ich allerdings noch keine Meinung dazu, dass die Hochschwangere Lea-Ann Ellison alias CrossFit Mom schwere Gewichte stemmte. Heute hab ich eine. Und meinen eigenen kleinen Shitstorm, den mir Freunde, Familie, Bekannte und Unbekannte unerwartet bescheren. Zwar stemme ich keine 40 kg wie Lea-Ann, aber ich stemme eben Gewichte und ich laufe. Böse, wie viele finden. Egoistisch, verrückt, unverantwortlich.


Quelle: http://hollywoodlife.com
Als ich das Training allein zu zweit begann, hatte ich ordentlich mit Puls zu kämpfen. Inzwischen kämpfe ich vor allem mit dem zusätzlichen Gewicht und damit, mir kein schlechtes Gewissen machen zu lassen …

Ich bin schwerer. Langsamer. Und sehr viel weniger agil. Aber wieso sollte mir plötzlich die Lust an der Bewegung abhanden gekommen sein? Entsetzen in den Gesichtern, wenn ich sage: »Ja, ich mach noch Sport wie immer. Weniger intensiv natürlich, aber genauso wie sonst auch.«

Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich mich so vehement selbst verteidigen muss. Ich verbringe wahnsinnig viel Zeit damit, Leuten zu erklären, dass Sport schon immer zu mir gehörte – wie Essen und Trinken. Dass ich mich mit Sport gut und ohne ihn weniger gut fühle und dass ich damit jetzt nicht einfach aufhören will. Mein Mediziner-Freund Olli versorgt mich derweil mit jeder Menge Fachlektüre zum Thema Sport & Schwangerschaft.
»Hier!«, sagt er, »Zeig das denen, die behaupten, Sport sei nicht gut!«

Training entsprechend des Fitnessgrads der Mutter ist möglich und wünschenswert.
Sport mindert Schwangerschaftsbeschwerden.
Sport fördert die spätere Entwicklung des Kindes.
Schwangere läuft Halbmarathon und gebärt ein paar Tage später gesunde Zwillinge.

Ja, Olli hat sich mit seiner Recherche Mühe gegeben (und dafür danke), die Vorwürfe der anderen reißen trotzdem nicht ab. Mich trifft das von Generation zu Generation weitergegebene geballte Wissen über Schwangerschaft: nicht heben, nicht anstrengen, nicht bücken, doppelt so viel essen … Ich müsste lügen, würde ich behaupten, ich ließe mich nicht doch verunsichern. Also frag ich zum x-ten Mal den Arzt, dem ich vertrau und er sagt in amüsiertem Ton: 
»Was wissen die anderen denn schon? Haben die Medizin studiert und Sie untersucht? Frau Dua, sie dürfen alles machen, was sie wollen, wenn es Ihnen dabei gut geht.« Schon wieder möchte ich ihn umarmen.

Mir geht’s gut. Auch, wenn sich mein Training inzwischen anfühlt, als trüge ich einen Rucksack voller Steine. Körperlich kein Problem. Aber mental. Es ist schon ein wenig frustrierend, wenn plötzlich alle an dir vorbeiziehen, man jede Woche weniger Klimmzüge und Liegestützen schafft. Und bei der Trainerarbeit ganz zu schweigen. Meist bin ich so konzentriert und damit beschäftigt, anderen alles richtig zu zeigen, dass ich die veränderten Umstände ganz vergesse. Wie neulich, als ich mit jemandem rudern wollte und nach zwei Sekunden feststellte: Ich kann nicht – der Bauch … Auch meine eiserne Regel musste ich aufgeben: Immer alles mitmachen, wenn ich wem was zeige. Inzwischen geht das nicht mehr. Was aber noch geht: Squats und Bankdrücken – beides habe ich zu meinen Lieblingsübungen erkoren. Nennt es egoistisch, verrückt, unverantwortlich, sportsüchtig, wie Ihr wollt. Ich hör nicht auf. Ein für alle Mal: Ich laufe und stemme Gewichte – für mein Leben gern. Mehr ist es nicht. Und selbst Ballett kann man schwanger noch prima machen (auch, wenn’s komisch aussieht)! Und hey: Immerhin fahr ich kein Ski … Das ist nämlich WIRKLICH gefährlich.
Quelle: http://petapixel.com

P.S.:
Dass Lea-Ann im November 2013 dann einen gesunden Sohn zur Welt brachte, interessierte nachher irgendwie niemanden mehr.

Und hier lest Ihr übrigens alles zum »Training allein zu zweit, Teil 1.«

Kommentare

GamlaSvenska hat gesagt…
Wenn ich schwanger bin, bekommst von mir auch so ein Ballet-Bauch-Foto. :-)
Anonym hat gesagt…
In einer Welt, in der die Intuition weitgehend dem Funktionieren gewichen ist, fühlen sich viele gewissermaßen verpflichtet, anderer Leute Tun zu bewerten und wahrscheinlich vor allem zu verurteilen. Dabei gibt es nichts Besseres, als auf die Intuition zu hören, ganz besonders in der Schwangerschaft. Also nicht verunsichern lassen, sondern auf dein Bauchgefühl hören!
KÖRPERGOLD hat gesagt…
Oh ja, liebend gern. Und dann seh ich Dich ENDLICH mal im Tutu ;)
KÖRPERGOLD hat gesagt…
Eigentlich verrückt, sich heutzutage beim Thema Sport und eigenes Körpergefühl so verteidigen zu müssen. Und wenn man das oft genug tut, lässt man sich irgendwann doch verunsichern … Um so schöner, auch mal eindeutige Fürsprecher zu haben. Das tut gut und dafür danke!

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